Skip to main content


Zur Einführung sprach Sören Schmeling, Freiburg.

Philipp Morlock bläst zur Schnäppchenjagd in der „Mantelabteilung“ Alles muss raus! Schließlich ist Saisonbeginn. Die Kleiderstangen müssen leer, die Ladenhüter der vergangenen Herbst- und Winterkollektion verramscht werden. Nichts ist älter als die Mode vom letzten Jahr. Dieser punktuellen Abrechnung mit der kollektiven Kleidungsvergangenheit begegnet der Bildhauer Philipp Morlock mit einer noch farbfrischen Kollektion seiner skulpturalen Objekte. Unter dem Titel „Mantelabteilung“ vereint er eine persönliche Auswahl von Arbeiten, die allesamt Adaptionen realer Mobile und Möbel sind, mit denen der Kunstkunde vom 20. September bis 19. Oktober im Kunstverein Mönchengladbach auf Tuchfühlung gehen kann.

Morlock, der bei Slominski und Klingelhöller in Karlsruhe studierte, erhielt den diesjährigen Kahnweiler-Förderpreis und die Galerie Iris Kadel zeigte eines seiner Mofa-Adaptionen auf der LISTE08 in Basel. Derzeit fährt der 33jährige Bildhauer mit einer mobilen Skulptur, seiner VW-Käfer-Aussichtswarte, durch die Lande und unternimmt damit eine künstlerische Reisedokumentation. Nach seiner Einzelausstellung „schnelle Frauen schöne Autos“ im Kunstverein Pforzheim startet er zur Herbstsaison seine zweite große Einzelausstellung in diesem Jahr. Wie ein sitzender Haushund begrüßt ein in sich verdrehtes goldenes Mofa auf einer Holzplinte die Besucher im Foyer. Es ist Teil einer neuen Serie von Monumenten technisch-animalischer Weggefährten, die Morlock als Begrüßungsskulpturen oder Reiterstandbilder bezeichnet.

Unweit des goldigen Mofa-Hündchens lässt eine überdimensionale Kleiderstange mit ebenso großen Anzugs- und Kleiderbügeln den einen oder die andere an der Knopfleiste ihres besten Stücks nesteln. Wird der eigene Neu- oder Altmantel darüber passen? In der Belletage des Kunstvereins mit seiner sechszehn Meter langen und fast fünf Meter hohen Schauwand befindet sich eine illustre Kollektion: Zwei mächtige Reiterstandbilder, deren Höhe die Galerie des ersten Obergeschosses überragen, zeigen Mofas wie adoleszente Stahlrösser ohne Reiter. Sie reihen sich auf an einer imaginären Kleiderstange, an der auch zwei Sofas, ein Bücherregal und eine kleine Besenkammer ausgestellt sind. Und zwar um 90 Grad rechtwinklig von der Wand in den Raum gedreht, so dass man auch ihre sonst unsichtbaren schmucklosen Rückseiten sehen kann. Die Sofanachbauten aus altem verwaschenen Mühlenholz werden bereits probebesessen: Kutschenmodelle haben darauf platzgenommen, deren Aussehen an ihre ursprünglichen Besitzer erinnert. Im Bücherregal etwa steht eine Kutsche als Portrait des Buchhändlers Philipp Palm, der 1806 wegen eines Pamphlets gegen Napoleon von dessen Truppen hingerichtet wurde, Bücher seines Programms befinden sich daneben. In der Besenkammer treten dem Besucher floral ornamentierte Besen entgegen, die mit „Barbie“ und „Ken“ betitelt jegliche Staubablagerung auf Kindheitserinnerungen wegfegen.

Im Obergeschoss gibt es Kutscheneinstiegshilfen, deren Geländer und Handläufe mit Jagdmotiven verziert sind. Steigt man ein geht man ins Leere oder wird selbst zur Skulptur und erhält eine ganz neue Übersicht. Von den figürlichen Kutschen-Portraits am Geländer der Galerie gelenkt, schaut man erneut aus anderer Perspektive auf die „Mantelabteilung“. Und dann ist da noch der Flügel, auf dessen poliertem Schwarzlack eine verchromte Jagdkutsche ihren Platz findet, daneben ein Notenblatt mit Hornsignalen: „Rechts“, „Links“, „Halt“, „Nach Hause“ oder eben „Auf“, „Auf“: Philipp Morlock bläst zur Hatz, man darf den grünen Filz schürzen!

Text: Sören Schmeling

Ausstellungsansichten

Cookie-Hinweis

Wir setzen Cookies ein, um die Nutzung unserer Website zu erleichtern und das Laden von Inhalten zu beschleunigen. Wir setzen keine Cookies von Dritten oder Cookies zu Marketingzwecken oder zur Erfassung des Nutzerverhaltens ein.

Sie können selbst entscheiden, ob Sie Cookies zulassen möchten. Die von uns eingesetzten Cookies sind essensziell für den Betrieb der Seite. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen und Inhalte fehlen werden.